

Der Engel
Mit geneigtem Haupt stand in seinem Glanz
ein sanfter Engel an der Himmelspforte,
über dem Höllenschlund aber flog
der finstere und rebellische Dämon dahin.
Der Geist der Verneinung, der Geist des Zweifels
blickte auf den Geist des Reinen
und zum ersten Mal fühlte er
unwillkührlich heiße Rührung.
„Leb wohl, sprach er, „ich habe dich gesehen,
und nicht umsonst hast du mir geleuchtet:
nicht alles am Himmel habe ich gehaßt,
nicht alles auf der Welt habe ich verachtet.“

Der Prophet
Von geistigem Durst gequält,
schleppte ich mich in der finsteren Wüste dahin,
und ein sechsflügriger Seraph
erschien mir auf dem Kreuzweg;
mit Fingern leicht wie der Schlaf
berührte er meine Pupillen:
Es öffneten sich die erleuchteten Augensterne
wie bei einer erschrockenen Adlerin.
Er berührte meine Ohren
und Lärm und Klang erfüllte sie:
Ich vernahm das Erzittern des Himmels
und den Himmelsflug der Engel,
die Bewegung der Meeresungeheuer unter Wasser
und das Wachsen der Rebe im Tal.
Und er hat sich zu meinem Mund herabgeneigt
und meine sündige Zunge herausgerissen,
schwatzhaft uznd hinterlistig,
und die Zunge der weisen Schlange
hat er mit blutiger Hand
in meinen erstarrenden Mund gelegt.
Und er hat mir die Brust mit dem Schwert gespalten,
das zuckende Herz herausgenommen
und eine feuerglühende Kohle
in meine geöffnete Brust gelegt.
Wie ein Leichnam lag ich in der Wüste,
und Gottes Stimme rief mich an:
„Erhebe dich, Prophet, und sieh, und vernimm,
erfülle dich mit meinem Willen
und Länder und Meere durchwandernd,
entzünde mit dem Wort die Herzen der Menschen.“